Wie alles begann
Ich erinnere mich noch gut aus meiner ersten Jenaer Wohnzeit im Block über dem jetzigen, wie schön ich immer die mit Stauden bepflanzten, bunt blühenden Beete vor den Hauseingängen meines jetzigen Wohnblocks fand. Jahrzehntelang wurden die Beete vor den Blocks sowohl auf der Seite der Hauseingänge als auch auf der Balkonseite von Mietern bepflanzt, gehegt und gepflegt. Die ältere Mieter-Generation, die bereits mit Bau der Blocks einzog und nun großteils in den 80er Jahren ist, schafft es nun aus Alters- und gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Von den nachfolgenden Generationen hat nicht jeder Zeit und Interesse, sich dieser kleinen Flächen anzunehmen oder ein Kleingarten ist ihnen wichtiger. Kümmert sich niemand mehr um diese Beete, werden sie zu Rasenflächen umgewandelt oder mit herkömmlichen Bodendeckern bepflanzt:
Hausbeet Nr. 1 – das Kompromissbeet
Mir wiederum fehlt die Zeit für einen Kleingarten und ich suchte nach Betätigungsmöglichkeit vor der Haustür. So kam ich im Mai 2020 zu Beet Nr. 1, einem Kompromissbeet. Die liebenswerte ältere Mieterin aus dem Erdgeschoss wollte sich dessen gerne annehmen, da Garten ihre Leidenschaft ist, schafft es jedoch aus Altersgründen nicht mehr. Das Beet war verwildert mit Grasbewuchs, Pfeilkresse, Sauerklee usw. Zwischendrin noch sichtbar Blüten von Pfirsichblättriger Glockenblume, Akelei, Zitronenmelisse, Nachtkerzen, Königskerzen und weiterer Pflanzen. Unsere ältere Mieterin wünschte sich Flieder auf dem Beet und setzte drei Stecklinge. Auch einige weitere Pflanzen sollten unbedingt drauf bleiben. So begann ich Ende Mai 2020, das Beet zu entwildern und die ursprüngliche Bepflanzung freizulegen.

Da Corona einige Vorhaben für 2020 platzen ließ, war dies die perfekte Alternative: ordentliche körperliche Betätigung an der frischen Luft, endlich lernte ich mal fast alle Bewohner sowohl meines Blocks als auch des Blocks darunter kennen und kam immer wieder mit verschiedensten Menschen ins Gespräch.
Hausbeet Nr. 1 – Bepflanzung
Das Beet bepflanzte ich nach Freilegung mit den über den Winter auf meinem Balkon gezogenen Jungpflänzchen und weiteren im Laufe des Jahres, säte zusätzlich einiges ein und steckte im Herbst noch Frühblüherzwiebeln. Auf das Hausbeet Nr. 1 zogen als Pflanzen u. a.:
- Wilde Karde (Dipsacus fullonum)
- Taubenskabiose (Scabiosa columbaria)
- Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus)
- Esparsette (Onobrychis viciifolia)
- Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia)
- Goldhaar-Aster (Aster linosyris – Galatella linosyris)
- Färberkamille (Anthemis tinctoria)
- Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca)
- Weiße Lichtnelke (Silene latifolia ssp. alba)
- Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare)
- Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum)
- Heidenelke (Dianthus deltoides)
- Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga)
- Steppensalbei nachtblau (Salvia nemorosa Mainacht)
- eine noch unbekannte Glockenblumenart von einer Mieterin aus dem hinteren Eingang als Jungpflänzchen

Weiterhin pflanzte ich eine Zwerg-Felsenbirne (Amelanchier ovalis var. pumila – Helvetica), weil die hier niemand kennt (eine zweite zog auf meinem Balkon ein). Überhaupt sind viele dieser Wildblumen bei den Anwohnern und Spaziergängern unbekannt, obwohl die meisten zahlreich in und um Jena wachsen. Ich wurde schon bei den im ersten Jahr blühenden Pflanzen auf den Baumscheiben angesprochen, was das eigentlich für Blumen sind.

Hausbeet Nr. 1 – Nelken
Den Rekord „Aussaat – Wachsen – Blühen“ stellte die Steinbrech-Felsennelke auf. Das Saatgut hatte ich von der Saatgutbörse des Naturgarten e.V. Eingesät hatte ich im Juni. Ab August blühte die Felsennelke bereits. Von ihr geerntetes Saatgut habe ich bereits an Nachbarn verschenkt 😊
Nelken sah ich bislang überhaupt nicht in den Gärten und Vorgärten hier in Jena-Nord, Jena-Zentrum bei Spaziergängen oder dem Weg auf Arbeit. Oder sind sie alle gut versteckt? Ein Grund mehr, diese ein bissel in den Vordergrund zu pflanzen, fliegen doch Schmetterlinge gerne auf Nelken.
Hausbeet Nr. 1 – Herbstbild
Im Herbst 2020 hatte das Hausbeet hauptsächlich einen gelben Blühaspekt durch Nachtkerzen und Sonnenblumen. Letztere waren auch ein Wunsch unserer lieben älteren Mieterin von unten, die aus ihrer Wohnung direkt auf das Beet schaut. Die noch blühende Rundblättrige Glockenblumen und der Natternkopf gingen dazwischen fast unter.
Hausbeet Nr. 1 – Frühjahr 2021
Im Frühjahr 2021 blühten zuerst die hier sehr beliebten Winterlinge, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte, als ich das Beet im Jahr zuvor übernahm. Dafür war wohl die Jahre zuvor einfach alles zu sehr überwuchert. Hinzu kamen dann die von mir gesteckten Goldkrokusse, deren Blühfarbe ich einfach liebe, die Zweiblättrigen Blausterne in rosa und blau (die ich auch ganz doll liebe), Narzissen und einige weitere Frühblüher.


Hausbeet Nr. 2
Das Beet am hinteren Ende unseres Blocks war schon lange kein schöner Anblick mehr, ebenfalls zugewuchert mit Gras und weiteren Pflanzen. Schon vor Jahren wurde es abgegeben und dann sich selbst überlassen. So übernahm ich es Ende September 2020 mit dem Plan, hier ebenfalls zu entwildern und naturnah zu bepflanzen. Ein weiterer Gedankengang: wenn sich einige Pflanzen über mehrere kleine Flächen verteilen bzw. wiederholen (Balkon, Baumscheiben, die beiden Hausbeete), ziehen sie hoffentlich neue Blütenbesucher an.

Hausbeet Nr. 2 – Start
Beet Nr. 2 entwilderte ich komplett nach dem Motto „Alles muss raus“. Hier trug ich die obere Erdschicht ab, da sichtlich vor allem reichlich Grassamen eingetragen war. Dabei kamen gefühlt mindestens 10.000 Frühblüher-Zwiebeln zutage, die ich großteils an Freunde, Bekannte und Kollegen in Jena verteilte. Was es alles für Zwiebeln waren, wissen wir bis heute nicht genau, auf jeden Fall Schneeglöckchen, Krokusse, Narzissen, Tulpen und Hyazinthen, eventuell noch Hasenglöckchen.
Wie schon bei Beet Nr. 1 war auch hier die Erde sehr steinig. Die älteren Mieter erzählten, dass schon vor Jahren in diese Beete ums Haus sämtlicher Bauschutt eingetragen wurde. Ja. Stimmt. Beim Buddeln kam davon einiges ans Licht. Doch gut für meinen Bepflanzungsplan. Alles unerwünschte Kraut bzw. dessen Samen konnte ich nicht entfernen und brach liegen sollte die Fläche nicht über mehrere Monate.
Also machte ich weiter und arbeitete heimischen Kalkschotter (aus Dorndorf-Steudnitz) ein. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Franz H. für den Kalkschotter-Transport!!! Bussi!!! Kalkschotter obenauf als Deckschicht war keine Option, da hätte ich mir viel Zorn zugezogen wegen zweier naher bekannter und nicht beliebter Schottergärten. Lieber behutsam alles angehen.
Zuletzt legte ich noch zwei kleine Trittwege aus hiesigen Natursteinen.

Hausbeet Nr. 2 – Bepflanzung
Einige der ursprünglichen Pflanzen setze ich gleich wieder ein (Königskerzen, Akelei, Tripmadam – siehe oberes Foto). Hinzu kamen:
- Goldhaar-Aster (Aster linosyris – Galatella linosyris)
- Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus)
- Gewöhnlicher Natternkopf – Sämlinge von den Baumscheiben (Echium vulgare)
- Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia)
- Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca)
- Steppensalbei nachtblau (Salvia nemorosa Mainacht)
- Färberkamille – Sämlinge von den Baumscheiben (Anthemis tinctoria)
- Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum)
- Steinbrech-Felsennelke – Sämlinge von Hausbeet Nr. 1 (Petrorhagia saxifraga)
- Heidenelke (Dianthus deltoides)
Wie schon bei Beet Nr. 1 säte ich noch einiges zusätzlich aus (Esparsette, rosa und blauen Ysop, Kornblumen, Flockenblumen, Skabiosen, Wilde Möhre, Kalkaster, Dost, Thymian und ich weiß nicht mehr, was noch).
Frühblüher-Zwiebeln (Goldkrokus, Elfen-Krokus, Zweiblättrige Blausterne und Weinbergstulpen) kamen ebenfalls hinzu, obwohl noch ein Teil der ursprünglichen im Beet verblieben war.

Hausbeet Nr. 2 – Frühjahr 2021
Die Frühblüher sorgten für ein erstes schönes Blühbild. Doch man sieht schon, mein Hauptjob wird dieses Jahr sein, unerwünschte Wildkräuter, Gräser und anderes zu entfernen. Da ich Etliches eingesät hatte und mir nicht alles als Jungpflänzchen vertraut ist, wird es wohl nach dem Motto laufen, erst mal alles zur Blüte kommen lassen und rechtzeitig vorm Aussamen entfernen, was nicht erwünscht ist. Eine Lernaufgabe für dieses Jahr 😊

Hausbeet Nr. 2 – die Anwohner
Mit Argusaugen wird hinter allen möglichen Fenstern und von Balkonen verfolgt, was ich da tue. Die Anwohner erzählen mir das immer, wenn ich am Wochenende auf den Beeten aktiv bin. Mit solchen naturnahen Anpflanzungen und Aussaaten können sie bisher noch nicht so viel anfangen. Wenn alles mal in Blüte kommt, ändert sich das ganz bestimmt. Zwei ältere Mieter erzählten mir schon, dass sie letztes Jahr in ihren Gärten mal nicht alles abgemäht haben und wie erstaunt sie waren, wie viele Insekten sich einstellten.
Auch alles Verblühte über den Herbst stehen zu lassen, strapaziert bereits das ästhetische Empfinden: „Das sieht doch nicht schön aus! Das muss weg!“ … „Om“ – ich versuche, ruhig und gelassen zu bleiben. Die Zeit wird es schon richten. Ich hoffe auf neue Schmetterlinge und Vögel, die allgemein noch große Sympathieträger sind.